Veranstaltung: | Wahlprogramm 2021: Justiz |
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Antragsteller*in: | Schreibgruppe (dort beschlossen am: 17.07.2020) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 21.07.2020, 17:13 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A1NEU3: Wahlprogramm 2021: Justiz
Text
Justiz
Wir haben viele Entwicklungen innerhalb der Justiz angestoßen, um sie
nachhaltiger und effizienter zu gestalten. Reformen benötigen zu ihrer Umsetzung
aber oft mehr Zeit als 5 Jahre, da zu lange schon zahlreiche notwendige
Neuerungen in der Justiz versäumt worden sind.
Meilenstein 2035: Bessere Arbeitsbedingungen in der Justiz
Die Mitarbeiter*innen in der Berliner Justiz arbeiten effektiver, unter gesunden
Arbeitsbedingungen und gehen ihrem Beruf gerne nach. Dadurch und durch andere
Maßnahmen werden die Rechtsschutzmöglichkeiten der Menschen verbessert und der
Krankheitsstand der Justiz-Mitarbeiter*innen nimmt ab. Die Gleichstellung in der
Justiz ist gewährleistet. Die Bezahlung hat sich an den anderen Bundesländern zu
orientieren.
Maßnahme 2026: Personelle Stärkung der Justiz
Dazu werden wir mehr Personal einstellen und die Entwicklung des Personals
weiter voranbringen. Dies ist erforderlich, damit Verfahren schneller ablaufen
und so einen wirksamen Rechtsschutz sicherzustellen. Personal soll gerade dort
eingesetzt werden, wo sich Verfahren aufgestaut haben.
In den nächsten 10 Jahren geht rund die Hälfte der Beschäftigten der Berliner
Justiz in Pension, sodass wir den personellen Umbruch weiter vorantreiben
werden. Dabei geht es uns um eine nachhaltige Besetzung, damit in Zukunft nicht
solche Personallücken entstehen, die uns die Einstellungspolitik der
Vorgängerregierung beschert hat. Der Fokus ist auch auf Personalentwicklung
legen, um dieses zu halten. Die Berliner Justiz muss ein attraktiver Standort
sein.
- Transparente Personalentwicklung fördern
Mitarbeiter*innen in der Justiz benötigen eine transparente Karriereperspektive,
damit der Beruf für sie attraktiv ist. Beurteilungen haben möglichst unabhängig
zu erfolgen. Alle Stellen sind grundsätzlich justizweit auszuschreiben.
Wir wollen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. Daher darf es
keine Nachteile mit sich bringen, wenn Mitarbeiter*innen Elternzeit in Anspruch
nehmen. Zudem wollen wir flexible Arbeitszeitmodelle in der Justiz schaffen. Die
Arbeitszeiten aller nicht richterlichen Mitarbeiter*innen wollen wir künftig
erfassen, damit angefallene Überstunden ausgeglichen werden können. Zur
Sicherstellung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten für Mitarbeiter*innen mit
Kindern werden wir Betriebskitas einrichten und Kooperationsvereinbarungen mit
bestehenden Kitas im Umfeld von Justizstandorten abschließen.
Es muss auf die Besonderheiten der Berufsgruppen eingegangen werden. Jungen
Proberichter*innen sollten z. B. transparente Möglichkeiten eröffnet werden, in
der Gerichtsbarkeit oder in dem Bereich innerhalb der Staatsanwaltschaft zu
arbeiten, in der ihre fachliche Präferenz liegt. Einschlägige
Vorerfahrungszeiten sollten großzügig auf die Probezeit angerechnet werden. Auch
der Quereinstieg von Anwält*innen soll vereinfacht werden, da die Berliner
Justiz enorm von der Kompetenz von berufserfahrenen Anwält*innen profitieren
kann.
- Gesundheitsschutz verbessern
Der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ist weiterzuentwickeln, um den
Krankenstand zu verringern. Arbeit in der Justiz ist oft herausfordernd und mit
Stress verbunden. Daher wollen wir einen stärkeren Personalaustausch in der
Justiz auf allen Ebenen fördern (vor Allem im Strafvollzug) und die Supervision
ausbauen. Wer jahrelang in dem gleichen Beruf arbeitet, kann eine einseitige
Perspektive entwickeln und die Motivation verlieren.
- Digitalisierung umsetzen
In der gesamten Justiz ist die digitale Infrastruktur weiter zu stärken und
weiter zu entwickeln. Erste Schritte wurden gegangen, aber uns wurde ein enormes
Defizit von der Vorgängerregierung hinterlassen.
Die elektronische gerichtliche Akte ist in dieser Legislaturperiode einzuführen.
Dazu muss das Justizpersonal mit entsprechenden mobilen Geräten ausgestattet
werden und ausreichende sichere Zugriffsmöglichkeiten auf die digitalen
Strukturen haben. Gerade die Corona-Krise hat gezeigt, dass es dringend
erforderlich ist, dass das Justizpersonal mobil arbeiten kann. Aber auch um
einen modernen Arbeitsalltag zu ermöglichen sind solche Geräte unumgänglich. So
wollen wir die Arbeit im Homeoffice in der Justiz ausweiten. Dabei sind auch die
sog. Folgedienste (insb. Servicestellenmitarbeitenden) zu berücksichtigen. Die
Arbeit der Justiz wird so nicht nur familienfreundlicher, sondern auch
effektiver. Auch können Frauen so besser gefördert werden.
Der Einsatz digitaler Medien in Gerichtsverfahren ist, unter strenger Beachtung
der Prozessgrundsätze, auszuweiten. Wir wollen Video-Dolmetschen in
Gerichtsverhandlungen ermöglichen, damit die Verfügbarkeit von Dolmetscher*innen
verbessert wird. Dies ist sehr relevant, insbesondere für Asylverfahren, da es
für einige Sprachen nur sehr wenige Dolmetschende gibt, die so flexibler
einbezogen werden können und damit ebenfalls die Qualität der Übersetzung
gesichert werden kann.
- Neben der digitalen Ausstattung sind die Arbeitsbedingungen und – Mittel
vor Ort in den Gerichten weiter mit besonderem Fokus auf einen gesunden
Arbeitsplatz weiterzuentwickeln.
Maßnahme 2026: Interdisziplinäre Arbeit fördern
Um die Arbeit der Justiz weiter effektiver zu gestalten, müssen Akteure in der
Justiz gut mit sozialen Trägern, wie der Bewährungshilfe und
Jugendgerichtshilfe, vernetzt sein. So kann nicht nur Kriminalität besser
verfolgt werden, sondern es wird auch sichergestellt, dass problematische
Strukturen besser erkannt werden. Dies macht es erforderlich, dass in allen
Teilen der Justiz die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Vernetzung der
Akteur*innen weiter gefördert und weiterentwickelt wird. Dies funktioniert im
familiengerichtlichen Bereich bereits gut, ist aber noch ausbaufähig, wohingegen
die Zusammenarbeit im strafrechtlichen Bereich noch deutlich verbessert werden
kann. Dazu bedarf es regelmäßiger Fortbildungen aber auch eine
Institutionalisierung der Zusammenarbeit unter hohen datenschutzrechtlichen
Standards. So wollen wir u. A. ein Haus des Jugendstrafrechts und ein
Resozialisierungsgesetz etablieren.
Maßnahme 2026: Gleichstellung und Vielfalt in der Justiz
voranbringen und leben
- Diversity bei der Einstellung / Beförderung
Auch der richterliche und staatsanwaltschaftliche Dienst muss so vielfältig
sein, wie die Berliner Bevölkerung. Sowohl bei der Einstellung als auch bei
Beförderungen ist dies als zentrales Ziel zu verankern. Dies ist mit der
Steigerung der Diversity-Kompetenz zu verbinden. Diese ist verbindlich als
beurteilungsrelevante Kompetenz zu verankern und regelmäßig und nachhaltig zu
fördern.
Mehr als die Hälfte der Berliner Richter*innen und Staatsanwält*innen sind
Frauen. Trotzdem ist die Mehrzahl der Beförderungsämter von Männern besetzt.
Dies muss sich ändern. Bei Beförderungsvorgängen mit mehreren freien
Beförderungsstellen, sind die Vorschlagslisten für den Richterwahlausschuss zu
quotieren. Richterliche Spruchkörper und Führungsfunktionen in der
Staatsanwaltschaft sind paritätisch zu besetzen. Auch bei der Besetzung von
Positionen an den Bundesgerichten sollte Berlin mindestens zur Hälfte Frauen
vorschlagen und sich im (Bundes-)Richterwahlausschuss für eine paritätische
Besetzung der freiwerdenden Stellen einsetzen.
Die Interessen von Frauen und Minderheiten in der Justiz sind weiter gezielt zu
fördern und die Förderung zu institutionalisieren. Nachdem das Berliner
Richtergesetz in der vergangenen Legislaturperiode evaluiert wurde, werden wir
die gewonnenen Erkenntnisse umsetzen. Wir wollen eine gewählte richterliche
Frauenvertreterin, welche die Interessen der Richterinnen effektiv umsetzen
kann. Wir wollen evaluieren, wie die Interessen von Menschen mit
Migrationshintergrund in der Berliner Justiz besser berücksichtigt werden
können.
- Diskriminierungen kenntlich machen und abbauen
Die Berliner Justiz hat kritisch zu evaluieren, wo der Zugang für bestimmte
Bevölkerungsgruppen zu Justiz erschwert oder wo und warum das Fortkommen von
Mitarbeiter*innen durch Diskriminierung erschwert wird.
Das LADG ist eine große Errungenschaft und wir werden dieses in der Justiz
flächendeckend umsetzen und kontinuierlich fortentwickeln. Dies ist durch
Forschungsvorhaben zu flankieren, wie etwa den bereits etablierten Berlin
Monitor, der in Zukunft den Fokus noch stärker auf diskriminierende Strukturen
in Berlin legen wird.
Maßnahme 2026: Rechtsschutz verbessern
- Die bauliche Struktur der Berliner Justiz ist weiter zu modernisieren.
Dies bedeutet zum einen die flächendeckende energetische Sanierung, zum
anderen der Neubau von Justizstandorten, wie in Marzahn oder am Campus
Moabit, um den Beschäftigten und Rechtssuchenden moderne Bedingungen zu
bieten. Die Justiz muss bürgernah erreichbar sein, dies betrifft auch die
Sozialen Dienste der Justiz. Der Zugang zu Justiz muss barrierefrei und
möglichst niedrigschwellig sein. Justizangebote müssen in mehreren
Sprachen zu Verfügung stehen und die Fremdsprachenkompetenz in der Justiz
ist zu stärken.
- Vielen Menschen ist nicht klar, welche Rechte sie haben. In justiziellen
Fortbildungen ist daher darauf einzugehen, wie diesen Menschen die
Teilnahme an Verfahren und der Zugang zur Justiz erleichtert werden kann.
Die Zugangsmöglichkeiten zur Justiz sind zu evaluieren und darauf
aufbauend zu verbessern. Interkulturelle Kompetenzen der Mitarbeiter*innen
sind zu stärken.
- Viele Menschen müssen besser über Rechtsschutzmöglichkeiten informiert
werden, insbesondere Menschen mit eingeschränkten finanziellen
Möglichkeiten und eingeschränkter Bildung. Dazu sind mehr
Beratungsangeboten barrierefrei und möglichst niedrigschwellig zur
Verfügung zu stellen, die sich an den Bedürfnissen der Betroffenen
orientieren.
- Die außergerichtliche Streitbeilegung in allen Teilen der Justiz muss
gestärkt und weiterentwickelt werden, da viele Konflikte außerhalb von
Gerichten, ggf. mit Unterstützung von Mediator*innen, besser und
nachhaltiger gelöst werden können. Gerade in strafrechtlichen Verfahren
machen viele Beschuldigte in legitimer Weise von ihrem Recht zu schweigen
Gebrauch. Dies verhindert aber eine Aufarbeitung von Konflikten und Opfer
fühlen sich nach den Gerichtsverfahren nicht ernstgenommen und haben oft
weiter Angst. Dies kann insbesondere durch eine außergerichtliche
Streitbeilegung wie den Täter/Opfer Ausgleich verbessert werden.
Meilenstein 2035: Opferschutz stärken
Jede dritte Frau hat Gewalterfahrungen. Viele Menschen klagen über
Diskriminierungserfahrungen und Angriffe. Der Opferschutz muss daher weiter
verbessert werden, damit sich die Menschen sicher fühlen. Dazu sind Angebote und
Strukturen weiter auszubauen.
Maßnahme 2026: Kinderschutz, Kinderrechte und stärken
Wir werden den Kinderschutz und Kinderrechte stärken und Maßnahmen zum
Gewaltschutz verbessern. Auch hier sind Ressourcen interdisziplinär in einem
Childhood House zu bündeln. Maßnahmen des Gewaltschutzes wie Beratungsangebote
sind auszubauen und die Kompetenzen der Beratenden bzgl. besonderer Bedürfnisse
von LSBTQI und anderen Menschen mit Diskriminierungserfahrungen sind
weiterzuentwickeln.
Um häusliche Gewalt zu mindern müssen Beratungsstellen, Frauenhäuser und
Zufluchtswohnungen durch mehr Personal und den Ausbau von Online-Angeboten
gestärkt werden, vor Allem, um die Erreichbarkeit zu verbessern.
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